UNEL

Luxemburg, den 22. Dezember 2020

 

Sehr geehrter Herr Minister Meisch,

als überzeugter neoliberaler Bildungsminister treiben Sie wie kein anderer vor Ihnen die Privatisierung der öffentlichen Schule voran. Während Ihrer Amtszeit nahm nicht nur die Zahl der Sekundarschulen zu, die mit öffentlichen Geldern bei privaten Firmen wie Pearson, IBO und Cambridge Assessment Abschlussexamina kaufen und von diesen entgeltlich bewerten lassen, sondern Sie befeuerten durch die verstärkte schulische Autonomie ebenfalls die Konkurrenz zwischen den Sekundarschulen und somit auch die Konkurrenz zwischen Schülern im Kampf um die besten Bildungschancen.

Das Resultat Ihrer Bildungspolitik ist eine zunehmend zersplitterte und unübersichtliche Bildungslandschaft, in der sich vor allem Schüler aus sozial besser gestellten Familien zurechtfinden – die anderen bleiben zunehmend auf der Strecke und die öffentliche Schule als Garant für Chancengleichheit funktioniert nicht mehr. Dabei beweist gerade der 2018 veröffentlichte nationale Bildungsbericht, dass eine längere gemeinsame Beschulung die Chancengleichheit erhöht.  

Eine andere Form der Privatisierung der Schule stellt die unter dem Schlagwort der »Digitalisierung« fungierende Pseudo-Modernisierung des Unterrichts dar. Neue Technologien sind ohne Zweifel wichtig für eine fortschrittliche, moderne Schule; sie können, müssen aber nicht zwangsläufig in den Unterricht integriert werden. Die »Digitalisierung der Bildung« erweist sich aber vor allem als der berüchtigte »Tanz um das goldene Kalb«, denn der ganze EDV-Bereich der Luxemburger Schule ist gleichsam an US-amerikanische Privatfirmen [oder: an bekannte Monopolkonzerne] verkauft und ausgelagert worden; diese freuen sich über die Profite sowie die zahlreichen neuen Kunden bzw. »consumer«.

Während der COVID Krise zeigen Sie zudem Ihr wahres Demokratieverständnis: Sie verweigern nicht nur allzu oft den Dialog mit Schüler*innen- und Studierendenvertretungen, Lehrergewerkschaften und Elternvertretungen, sondern bringen still und heimlich Gesetzesprojekte auf den Instanzenweg, ohne über diese mit den Gewerkschaften und den Schüler- und Studentenvertretungen zu verhandeln, geschweige denn sie in Kenntnis Ihrer Vorhaben zu setzen.

Nur ein öffentlicher Aufschrei brachte Sie vorerst dazu, einen der besagten Gesetzestexte – das Gesetzesprojekt 7662 – von der Tagesordnung der Abgeordnetenkammer zu nehmen. Ein weiteres Gesetzesprojekt, das ebenfalls eine Öffnung des öffentlichen Dienstes hin zum Privatsektor zum Ziel hat, wurde obendrein von Ihnen auf den Instanzenweg gebracht. Es handelt sich hierbei um das Gesetzesprojekt 7658, welches es zukünftig erlauben soll, Direktionsposten des IFEN (nationales Aus- und Weiterbildungsinstitut für Lehrer) und des SCRIPT (Abteilung für die Koordinierung der pädagogischen und technologischen Forschung und Innovation) mit Personen aus dem Privatsektor zu besetzen, die weder über eine pädagogische Ausbildung noch über die notwendigen Sprachkenntnisse verfügen müssen.

Als Minister einer Partei, die sich „demokratisch“ nennt, sollten Sie ein besseres Demokratieverständnis besitzen. Die unterzeichnenden Gewerkschaften und Schüler*innen- und Studierendenvertretungen fordern Sie umgehend dazu auf, ein Treffen mit allen betroffenen Akteuren aus dem Bildungswesen zu organisieren und über die Ausrichtung der öffentlichen Schule sowie Ihre Privatisierungspläne der öffentlichen Schule zu diskutieren.

Mitgeteilt von ACEN, ALPIA, APESS, OGBL Jeunes, SEW/OGBL und UNEL am 22. Dezember 2020